RETTET DIE REESE!

Reese-Kantine im Winter 2018/19 (Foto: Martina Vodermayer)

Online-Petition »Rettet die Reese!«

Das weitläufige Areal der Reese-Kaserne wurde bereits fast vollständig überbaut, nur noch wenige Gebäude erinnern an dieses spezielle halbe Jahrhundert Zeitgeschichte. Dabei war Augsburgs Westen beispielhaft für 50 Jahre amerikanische Präsenz und ein stadtgesellschaftliches Miteinander. Drei große Kasernen und mehrere Wohngebiete prägten die Nachkriegszeit seit 1945 und die folgenden Jahrzehnte bis zum amerikanischen Abzug Ende der 90er Jahre und Schließen des einst großen Garnisonsstandortes Augsburg.

Kantine, Kradhalle, Mannschaftshäuser und Reese-Theater bilden an der Sommestraße neben dem denkmalgeschützten früheren Offizierskasino (heute Kulturhaus abraxas) die letzten baulichen Spuren einer jahrzehntelang von den Amerikanern genutzten Kaserne in Augsburg mit all ihren darin gelebten Funktionen wie Verwaltung, Unterkünfte, Wirtschaftsgebäude, diverse Infrastruktur. U.a. hatte die University of Maryland hier zeitweise ihren Sitz. Direkt nach dem Krieg gab es auch ein Lazarett und ein ´displaced persons camp´. Zeugnishaft und unverzichtbar stehen diese Gebäude bis heute -noch. Zugleich sind sie bedeutsam im Hinblick auf die unverwechselbare Identität und Besonderheit des Stadtteils Kriegshaber.

Bis heute wurden nahezu sämtliche, zum größten Teil in den 1930er-Jahren errichteten Bestandsbauten auf dem Gelände, darunter Pferdeställe, Reithallen, Mannschaftsunterkünfte und Wirtschaftsgebäude, zu Gunsten von Neubebauung bzw. Parkanlagen abgerissen, obwohl es u.a. von der Stadt beauftragte Expertisen gab, die den Erhalt von bedeutsamen (Teil)Ensembles dringend empfahlen und den Wert der historischen Gebäude als unverwechselbare Qualität und Identität herausstellten.

Nach dem Abzug der US-Truppen fanden in den früheren Kasernengebäuden an der Sommestraße zahlreiche Kunst- und Musikschaffende Platz, bekannt als Kulturpark West, dazu waren die Clubs „Kantine“ und „Bombig“ beim Publikum sehr beliebt, nicht zuletzt zog das Reese-Theater bis zum Schluss viele treue Besucher*innen an. Dieses letzte Teilareal der Reese Kaserne bildet mit seinen noch stehenden Bauten einen wichtigen Ort der Erinnerung für zahlreiche Menschen in und um Augsburg. Zehntausende von Zivilangestellten arbeiteten im Lauf der Jahrzehnte hier für die Amerikaner, Freundschaften entstanden, sogar Familien, etliche Veteranen leben noch heute in Augsburg, unzählige weitere Veteranen, die durchwegs beste Erinnerungen an Augsburg haben, kommen regelmäßig mit ihren Angehörigen zu Besuch, um ihnen die Schauplätze ihres Lebens zu zeigen. Es wurde und wird immer weniger, was sie noch vorfinden. Besonders beklagen sie das nahezu vollständige Verschwinden der Kasernenanlagen, mit denen sie so viele Erinnerungen verbinden.

Natürlich konnte man nicht alles erhalten, die Stadt brauchte Wohnraum und Gewerbeflächen, die Konversionsflächen konnten dies bieten. Aber ein achtsamerer Umgang mit den Zeugen der Geschichte, ein Wiederfinden baulicher Spuren dieser Epoche wäre die Pflicht der Stadt um dies nicht dem Vergessen preiszugeben. Bauliche Strukturen haben hierbei einen ganz besonderen Wert und ein ganz besonderes Potential.  Historische Bausubstanz wie in der Reese, gerade weil nicht zum Denkmal erklärt, kann dabei bestens einer Umnutzung zugeführt werden. Man kann sanieren, modernisieren, zweckorientiert ergänzen und  mit neuen, zeitgemäßen und benötigten Funktionen füllen. Bezogen auf die noch vorhandene historische Bausubstanz von Kantine, Kradhalle, Mannschaftshäusern und Reese-Theater böten sich  vielfache Möglichkeiten der Neunutzung.

Die von der Stadtplanung häufig vorgebrachte Begründung, ein Abriss der alten Militärbauten sei wegen zu hoher Schadstoffbelastung unumgänglich, müsste dringend transparent überprüft werden. Denn es liegen uns Schadstoffberichte von 2006 vor, die eine andere Beurteilung zulassen. Außerdem wurden zwischenzeitlich bereits Sanierungen auf Grundlage der damaligen Befunde durchgeführt, um die Zwischennutzung überhaupt zu gewährleisten. Diese Zwischennutzung, die einen Abverkauf des Geländes bis dato verhinderte, führte zu einer immensen Wertsteigerung des Teilareals aufgrund der Bodenpreisentwicklung der letzten Jahre. Gewinne, die man in die Sanierung des Bestands investieren und diese dann einer durchmischten Neunutzung zuführen könnte, für eine Aufwertung des Neubauviertels und auch zum Nutzen darüber hinaus.

Trotzdem plant die Stadt in allernächster Zeit den Abriss auch dieses letzten Teils der Reese-Kaserne, außerdem sollen für die Neubauten zahlreiche alte Bäume am Appellplatz und auf dem Gelände fallen. Ein im letzten Jahr versandter offener Brief an den Oberbürgermeister mit Aufruf zu einem Moratorium blieb über ein Viertel Jahr unbeantwortet, Gesprächstermine mit OB oder Fraktionen werden trotz mehrfacher Bitten nicht ermöglicht, niemand scheint Interesse zu haben, die Schonung des historischen Bestands der Reese-Kaserne als Notwendigkeit und Verpflichtung zu erkennen und den veralteten B-Plan dahingehend zu modifizieren.

Dabei haben sich die Rahmenbedingungen in den letzten 20 Jahren stark geändert: Erfordernisse, Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung in einer  – anders als damals– wachsenden Großstadt, 40.000 Einwohnern mehr, mit u.a. Uniklinik, Staatstheater, globalem Wandel, und weiteren Herausforderungen, lassen kaum mehr einen Vergleich mit den damaligen Umständen zu. Erkenntnisse zur Nachhaltigkeit, zu verbauter „grauer Energie“, Klimawandel, steigenden Einwohnerzahlen und weiteren Einflussfaktoren machen es zwingend notwendig, hierauf angemessen und umsichtig zu reagieren, anstatt starr und ignorant an einem veralteten Konzept festzuhalten. Das Bedürfnis nach ortstypischen, Identifikation stiftenden, lokal besonderen historischen Strukturen und nach einer abwechslungsreichen Wohnumgebung ist unter all diesen Vorzeichen gewachsen und kann hier vor Ort in der Reese mit Mehrwert für alle, Bewohner und Bürger, sowie mit Verantwortung und Respekt vor der eigenen Geschichte bestens in Einklang gebracht werden.

Wir danken allen Unterstützerinnen und Unterstützern,
die ein wichtiges Kapitel Stadtgeschichte retten helfen.

Initiative

„Augsburgs Erbe bewahren“