KEIN LUXUS

Kein Luxus – Erhalt von Augsburgs letzten US-Kasernenensemble auf dem Reese-Areal

Pressemeldung vom 9. März 2020

Trotz neuerdings entspannter Zeitschiene – der Baubeginn an der Sommestraße wurde auf 2025 verschoben – hält man am zeitnahen Abriss von Kantine, Kradhalle, Reese-Theater und in etwas Abstand den Mannschaftsgebäuden fest. Ins Feld geführt werden hinlänglich bekannte Argumente: Die Bestandsgebäude würden der Wohnbebauung im Weg stehen, außerdem sei deren Schadstoffbelastung so hoch, dass eine Sanierung nicht in Betracht käme. Behauptungen, die nach uns vorliegenden Unterlagen und Gesprächspartnern nicht stimmen, von der Stadt nicht transparent offengelegt werden und somit nicht neutral überprüft werden können.

Wir fordern daher: ohne Offenlegung der Schadstoffbeprobungen und bis zur Konstituierung des neuen Stadtrates darf nicht abgerissen werden mit der Argumentation, es sei alles unrettbar verseucht!

Unserer Meinung nach muss der in Kürze neu gewählte Stadtrat die Möglichkeit erhalten, sich mit dem Reese-Areal zu beschäftigen, und zwar mit der Möglichkeit, stadtprägende historische Strukturen miteinzubeziehen, damit ein Stadtviertel trotz Konversion seine Identität behält.
Geradezu verwerflich wäre es, trotz neu aufgelegter Planungen mit Architektenwettbewerb, siehe AZ-Artikel vom 28.2.20, und Baubeginn nicht vor 2025 (!) zeitnah Fakten durch Abrisse zu schaffen und somit den neuen Stadtpolitiker*innen jeglichen Entscheidungsspielraum und Option zur Integration und sinnvollen Umnutzung der historischen wichtigen und mittlerweile einzigartigen Gebäude, Zeugnisse einer prägenden Epoche des 20. Jahrhunderts, zu nehmen. In den Bestandsgebäuden lassen sich nachhaltig und Ressourcen schonend, zahlreiche Nutzungen und Funktionen verorten, die im neu entstehenden Viertel oder darüber hinaus benötigt werden. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf zur zeitgemäßen städtebaulichen Verwertung dieser Konversionsfläche, um die Lebensqualität im Neubauviertel zu steigern und zugleich den historischen Baubestand zu schonen und zu integrieren. Lesbarkeit der Stadtgeschichte soll möglich bleiben und die gewachsenen, ortstypischen Strukturen Abwechslung in ein bisher recht monoton geratenes Neubauquartier bringen.

Sollte seitens der Stadt tatsächlich ein Architekturwettbewerb mit Baubeginn frühestens 2025 angedacht sein, dann dürfen hier nicht vor der Neuzusammensetzung des Stadtrats irreversible Fakten geschaffen werden, die ein Mitnehmen der historisch bedeutsamen Strukturen in die Entwürfe unmöglich machen.
Wir fordern, dass die Stadt Augsburg zu ihrer von uns eingeforderten Verantwortung zum angemessenen Umgang mit Augsburgs Erbe steht und mit den baulichen Spuren unserer Stadt-und Zeitgeschichte angemessen und sensibel umgeht. Hier in der Reese, am historischen Exerzier-und Appellplatz kann man Altes mit Neuem, Herkunft mit Zukunft, Tradition und Innovation verbinden. Dies alles unter direkter Einbeziehung von Bürgern, die in der Stadt nicht geschichts- und gesichtslos wohnen und leben wollen, sondern ein historisch gewachsenes Umfeld in Verbindung mit Neubauquartieren als lebenswertes und wichtiges Qualitätsmerkmal empfinden und bewahren wollen.

In bedrohlicher Kürze können Fakten geschaffen sein. Die Schonung und Integration des historischen Bestandes muss aus der Verantwortung der eigenen Geschichte gegenüber Priorität haben. Der in Kürze neugewählte Stadtrat soll und muss die Möglichkeit erhalten, sich mit dem Areal zu beschäftigen und die historischen Strukturen, das einzigartige Ensemble am Appellplatz in der Reese-Kaserne miteinzubeziehen.

Über fünf Jahrzehnte wurde das Areal von den Amerikanern genutzt, somit steht es in der Stadt zeugnishaft für eine prägende und bedeutsame Epoche ihrer neueren Zeitgeschichte. Zum 75. Jahrestag der amerikanischen Befreiung Augsburgs von den Nazis will die Stadt unbeirrt am alten Konzept der Totalabrisse festhalten und das letzte Kasernenensemble in der Reese auslöschen. Gewachsene Strukturen, seit mehr als 80 Jahren stadtbildprägend in Kriegshaber, sollen ohne Not für immer untergehen, obwohl sie ein bedeutender und unverzichtbarer Mosaikstein der neueren Augsburger Geschichte sind und durch Umnutzung zur Aufwertung, Qualität und Identität des monotonen Neubauquartiers beitragen könnten.

Im Zuge der Vorplanungen wurden konsequent alle Empfehlungen von Fachleuten ignoriert, was den Erhalt von historisch, architektonisch und funktional bedeutsamem Bestand anging. Auch diesbezügliche Wünsche der Bürgerschaft wurden in keiner Weise bei den Planungen berücksichtigt. Eine von der Stadt bezahlte Expertise zu den Konversionsflächen empfahl dringend den Erhalt von (Teil-)Ensembles, Bürgerbeteiligungen und Foren sprachen sich dafür aus, von Wissenschaftlern durchgeführte Workshops, Führungen, Erstellen von Konzepten – dies alles fand keinen Eingang in den Planungsprozess. Der Architektenwettbewerb für das Neubauviertel wurde für ein freigeräumtes Areal ohne jegliche Bestandsgebäude ausgeschrieben; ebenso der neu anstehende Wettbewerb, wenn es bei den Zielen der CSU, also Abriss, bleibt.

Den Wert des Alten schätzen und als Ausgangspunkt für Neues zu nutzen – immer mehr Bürger wünschen sich die Einbindung bestehender ortstypischer, gewachsener Strukturen in Neubau- oder Nachverdichtungsviertel und eine abwechslungsreiche Wohnumgebung.

Alex Blümel,
Initiative Augsburgs Erbe bewahren